Schwarzdenker

 

Unseren Alltag prägen Big Player wie Apple, Google und Amazon. Sie preisen ihre Produkte als ultimativ und unverzichtbar an, dass wir aber mit deren Nutzung auch etwas verlieren, erkennen die Wenigsten. Wissen und Fachkönnen bleibt auf der Strecke und wird zum Mittelmaß.

Wir haben mit Victoria Sarapina gesprochen, welche mit dem Schwarzdenker ein Magazin der Öffentlichkeit vorgestellt hat, welches sich mit der Medienbranche kritisch, analytisch und kämpferisch auseinandersetzt.

Entscheidende Kriterien bei meiner Papierwahl waren Wertigkeit, Haptik, Lesbarkeit und Charakter


Ihr Magazin beginnt mit der Aussage „Das Denken kann ich keinem empfehlen“. Was müssen sich ihre Leser darunter vorstellen?

Es ist eine Art von Provokation. Es geht im Schwarzdenker darum, auf Probleme der Kreativbranche hinzuweisen und Missstände zu benennen. Und dabei sind Satire und Selbstironie die Mittel der Wahl. Tolstoj hat mal gesagt, dass sich beim Lesen vortrefflich denken lässt. Mein Versprechen ist: „Beim Lesen vom Schwarzdenker lässt es sich vortrefflich amüsieren.“

Wie kamen Sie auf die Idee, ein derartig kritisches Branchenmagazin zu machen?

Seit 20 Jahren bin ich nun in meinem Beruf unterwegs. Ich habe im Rhein-Main-Gebiet studiert und schon früh angefangen zu arbeiten. Ich habe mich damals immer gewundert, wo sind denn eigentlich die älteren Kollegen. Diese Frage kann ich bis heute nicht eindeutig beantworten. Man hört oft: „… weil wir eine dynamische, jung gebliebene Branche sind“. Mir wäre mittlerweile eine beständige und bodenständige Branche um einiges lieber.

Sie lassen mit dem Titel eine Vielzahl von namhaften Personen sprechen. Wie ist es Ihnen gelungen, diese von ihrem Projekt zu überzeugen oder für ihr Projekt zu begeistern?

Als mir die Idee kam, war ich zuerst selbst nicht so sicher, ob das Thema und die Form draußen gefragt ist. Ich habe aber dann entschieden, diese Idee einfach einmal Horst Moser zu präsentieren. Hält er nichts davon, dann verwerfe ich die Sache einfach. Seine Reaktion war: „Schade, dass mir selbst diese Idee nicht eingefallen ist“. Dann wusste ich, ich mache es und schrieb das Konzept. Mit diesem bemühte ich mich um weitere Kollegen – einige sagten zu, andere ab. Im Vergleich waren Männer entscheidungsfreudiger als Frauen. Kollegen fürs Schreiben zu begeistern war leichter, als für unsere klassischen Aufgabenfelder wie Illustration und Fotografie. 

… nach der Veröffentlichung gab es viele Rückmeldungen. Und das Interessante daran ist, was die Leser einem schreiben — ein Originalzitat „Endlich bringt es mal jemand auf den Punkt und spricht es offen aus, was der Rest nur still und leise zu denken bereit ist oder ganz und gar verdrängt …“

Sind Sie der Meinung, dass diese Betrachtungsweise der Normalität entspricht? Und brauchen wir einfach mehr Personen, die so denken wie Sie?

Was ist schon die Normalität? Normal ist beides: positiv unterwegs zu sein, wie auch die Welt kritisch zu sehen. Nur zu postulieren: Wir haben keine Probleme, ist nicht richtig (normal?). Wir haben diverse Probleme in unserem – wahrlich – heterogenen Beruf. Die Einen, die unseren Beruf ausüben, haben studiert, die anderen haben eine Ausbildung abgeschlossen oder sind Quereinsteiger. Es gibt aber auch diejenigen, die sich einfach ein paar Programme angeeignet haben und nebenbei Geld verdienen. Moderne Technologien haben uns exklusive Konzession auf gute Form entzogen, es herrscht ein Überangebot an Arbeitskräften und die Welt draußen hat kein Qualitätsbewusstsein.

 
 
Zeit-Streit-Schrift

Zeit-Streit-Schrift

Der Designer & sein Los

Der Designer & sein Los

Das Magazin macht einem Typographen besonders viel Freude. Wie war da Ihre Herangehensweise den Inhalt typographisch so gut in Szene zu setzen?

Die Fleischmann ist einfach eine wunderschöne Schrift mit viel Charakter. URW Type Foundry hat mir als Erster seine Unterstützung zugesagt. Für mich war es sehr bewegend zu erfahren, dass allein die Idee des Projekts Leute begeistert.

Beim Artwork war es mir persönlich wichtig, die Inhalte so gut wie möglich lesbar zu machen. Mich ärgern die Drucksachen, in denen ich trotz meiner Lese-Motivation keine Chance habe, Inhalte zu verstehen. Es ist in meinen Augen pure Gestalter-Ignoranz, wenn Texte in Sieben-Punkt-Größe in ellenlange Zeilen und aus rein ästhetischen Gründen in Blocksatz gesetzt werden. Ich schätze gute Lesbarkeit und Satzqualität. In diesem Aspekt bin ich konservativ, weil ich ein Leser bin.

Wie lange haben Sie gebraucht, die Idee bis zum fertigen Schwarzdenker umzusetzen?

Also die Idee kam mir 2018. Ich habe ein Konzept geschrieben und Mitstreiter gesucht. Ich legte großen Wert auf berufskritische Themen, substanzielle Inhalte und unangepasste Meinungen, an denen man sich reiben kann. Es war spannend, Kollegen für den Schwarzdenker zu gewinnen, mit ihnen Themen zu besprechen, mit Leuten in Kontakt zu treten. Anschließend war ein langer Weg der Pflichten: Rechte klären, mehrstufiges Lektorat und Lithografie. Irgendwann war es für mich klar: Draußen gibt es mehr Menschen, die sich für mein Magazin interessieren. Und so beschloss ich, ein Crowdfounding ins Leben zu rufen. Parallel setzte ich meine Suche nach weiteren Sponsoren fort und konnte unter anderem die Winter AG aus der Schweiz und die Inapa Deutschland als Papiersponsoren gewinnen. Aber auch Kollegen aus Österreich von der Typographischen Gesellschaft Austria unterstützten mich nach allen Kräften. Und am Schluß konnten wir den fertig gedruckten Schwarzdenker mit einem Fest gebührend feiern.

Mit dem Schwarzdenker wollen Sie das Schweigen vieler Kollegen brechen und über die „Machenschaften der Medienbranche“ aufklären. Können Sie uns dies einmal näher erläutern?

„Machenschaften“ hört sich so nach Mafia an, die im Hintergrund agiert. Diese Gruppe im Hintergrund gibt es nicht. Wir pflegen ein bestimmtes, in unserer Branche charakteristisches Verhalten. Ich versuche zu erklären, was ich meine: In unserem Beruf kreieren wir Images, inszenieren Unternehmen, heben bestimmte Eigenschaften hervor, singen ein Loblied auf Produkte und Dienstleistungen. Dabei geht es nur zum Teil um „Wahrhaftigkeit“. Oder können Sie sich vorstellen, dass Sie die Werte ihres Kunden anzweifeln und darüber hinaus das offen kommunizieren? Überspitzt formuliert: Bei unserer Arbeit geht es darum, den Kunden oder ganze Unternehmensstrukturen „schön zu reden“ und „schön zu gestalten“. Daran ist an sich nichts auszusetzen, doch wenn man sich das ganze Berufsleben mit dem „schönen Schein“ beschäftigt, glaubt man irgendwann auch, dass der eigene berufliche Erfolg nur von der eigenen guten Inszenierung abhängig ist.

Ein Artikel im Magazin geht um die Vergabepraxis von Aufträgen. Was glauben Sie, wo wird sich unsere Branche hin entwickeln und wo werden wir morgen stehen?

Ich habe schon einige Vergabeausschreibungen mitgemacht. Interessant ist, dass die andere Seite damit auch nicht zufrieden ist. Die Stadt München hat zum Beispiel alle Ausschreibungen ins Digitale verlegt, bemüht sich um mehr Bewerber, doch es werden nicht mehr. Die Vergabestrukturen, die dafür geschaffen werden, können sich selbst nicht optimieren. Man muss sich einfach vor Augen führen, dass die Vergabestelle eine Zwischenstelle ist, die diverse Vergabeverfahren für Bau-, Liefer- und Dienstleistungen nur vermittelt, keine Projekte initiiert, aber Leistungen untereinander vergleicht. Dabei ist natürlich ein Preis leichter zu bewerten, als eine imaginäre Qualität.

Ich wurde oft von Lesern des Schwarzdenkers gefragt: Und was ist die Lösung? Ich biete im Schwarzdenker keine Lösungen. Ich kann nicht sagen, wie viele Male wir das Vaterunser beten müssen.

Zu einem schönen Konzept gehört auch die richtige Papierwahl. Das Papier unterstreicht eine besondere Wertigkeit des Inhalts. Warum haben Sie sich für dieses Papier entschieden?

Entscheidende Kriterien bei meiner Papierwahl waren Wertigkeit, Haptik, Lesbarkeit und Charakter. Munken Pure und Wibalin Karton sind die Richtigen. Ich bin meinen Papierpartnern richtig dankbar dafür. Die Papierhersteller bekommen wirklich sehr viele Bewerbungen für Sponsoring, und ich bin stolz, dass sich Inapa Deutschland und Winter & Company aus der Schweiz für den Schwarzdenker entschieden haben.

Sie waren bei uns zur persönlichen Abnahme der Druckbogen. Was hat Ihnen da besonders gut gefallen?

Ich fühle mich bei Gotteswinter wie zu Hause. Vielleicht kenne ich nicht jeden Drucker beim Namen, aber viele nach dem Gemüt. Der Tag der Druckabnahme ist immer ein besonderer Tag, und den Ausflug in den Joseph-Dollinger-Bogen 22 möchte ich nicht missen. Ich genieße es, an der Druckmaschine zu stehen.

Wie sehen Sie die Zukunft unserer Branche, gerade in den Zeiten der Pandemie?

Ich bin keine Optimistin. Die aktuelle Situation wird die Lage in unserer Branche leider nur verschärfen. Aber man muss sagen: Wir sind – in Deutschland – privilegiert. Wir agieren in einem relativen Wohlstand und genießen einen gewissen Schutz staatlicher Absicherung. Dieser Wohlstand wurde gar nicht von uns, sondern von den Generationen davor erwirtschaftet. Um Problemen adäquat zu begegnen, um künftigen vorzubeugen, bedarf es einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Ist-Zustand und ein Wirtschaftswissen. Wie wird es uns gehen? Positive Prognosen und rosige Zukunftsszenerien müssen Sie bei jemanden anderen suchen.

Vielen Dank für das Gespräch (das Gespräch führte Bernd Weber)

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BIO VICTORIA SARAPINA

Grafikdesignerin mit russischen Wurzeln führt ihr eigenes Grafikbüro „Manufaktur für Grafikdesign“ mit dem Schwerpunkt Branding und Unternehmenskommunikation. In ihrer Arbeit für Kunden strebt sie sowohl ästhetische als auch gewinnsteigernde Kommunikation an. Victoria ist Herausgeberin des Magazins „Schwarzdenker“, das sich kritisch mit dem Berufsalltag in der Kreativ-Branche auseinandersetzt. Sie studierte Kommunikationsdesign an der Hochschule RheinMain und absolvierte ein zweijähriges Aufbaustudium bei Rudolf Paulus Gorbach. Bei der Typographischen Gesellschaft München ist sie Vorstandsmitglied und Schatzmeisterin.

schwarzdenker.com


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